In der Hoffnung, dass mein geistiges Werken gemächlich wieder in einen brauchbaren Rhythmus komme im folgenden einige Überlegungen zu Hegels „Rechtsphilosophie”. Ich kam zu besagter Schrift über den Umweg der Plagiatsvorwürfe gegen Slavoj Zizek, welcher mir vor allem als beflissener Hegelausleger bekannt geworden ist. Flugs ging ich in der „Rechtsphilosophie”, die ich ohnehin je nach Tagesform derzeit ein wenig durchwate, auf die Suche und wurde im Abschnitt zum Eigentum bei §69 fündig. Diesen Paragraphen möchte ich nun zusammenfassen und ihm die Entschuldigung Zizeks vergleichend zur Seite stellen. Der anschließende §70 ist gerade im Hinblick auf rechtsphilosophische Fragen, die mich aktuell beschäftigen, weitaus interessanter und wird dementsprechend mit ausführlicherer Behandlung bedacht.
Ich beziehe mich auf eine Suhrkamp-Textfassung aus den Siebzigern, die dankenswerterweise von einem Frankfurter Professor digital zur Verfügung gestellt wurde. Alternativ existiert auch eine vollends gemeinfreie Version, die dem/der Leser/in allerdings Hegel Zusätze vorenthält.
Nach einiger Textlektüre bin ich zum Ergebnis gelangt, dass Hegel im §69 (S.146ff) folgende Position bezüglich geistigen Eigentums zum Ausdruck bringt: Bei Sachen, deren Wesen darin liegt, von der materiellen Form ihrer Darbietung unabhängig zu sein, ist zwischen dem Eigentümer des Einzelgegenstands und dem allgemeinen Eigentümer (heute: Urheber) zu trennen. Sodann fragt er sich, ob diese Trennung überhaupt zulässig ist, oder ob nicht vielmehr der Begriff des Eigentums selbst durch die Spaltung in Besitzer/Verwender und Eigner, der als einziger volles Eigentum hat, zerstört wird. Wenn man den Text mehrmals liest wird nachvollziehbar, wie Hegel diese Fragestellung beantwortet. Er argumentiert, dass es in der Natur geistigen Eigentums liege, eben diese Spaltung aufzuweisen und dass deshalb Einwände, die auf materielles Eigentum abzielen, fehlgehen.
Der Kernsatz lautet: „Diese Möglichkeit hat nämlich das Eigene, an der Sache die Seite zu sein, wonach diese nicht nur eine Besitzung, sondern ein Vermögen ist (s. unten § 170 ff.), so daß dies in der besonderen Art und Weise des äußeren Gebrauchs liegt, der von der Sache gemacht wird und von dem Gebrauche, zu welchem die Sache unmittelbar bestimmt ist, verschieden und trennbar ist (er ist nicht, wie man es heißt, eine solche accessio naturalis wie die foetura)”
Hegel erklärt, und hier wird offenkundig, warum er manchmal so schwer verständlich ist, nur einmal, was „Möglichkeit” im §69 bedeutet, um darauf mit verschiedenen Pronomina an ungünstigen Stellen selbigen Begriff zu bezeichnen. Im Grunde meint er 'Reproduktionsmöglichkeit'. Geistige Gegenstände sind also nicht nur Besitz, sondern Vermögen, eben weil sie eine gewisse 'Darstellungsunabhängigkeit' aufweisen. Hegel ist Hegel, auch am iMac auf zeno.org. Kurz gesagt: Weil also der äußerliche Gebrauch geistigen Eigentums ganz von selbst in zwei Teile zerfällt, nämlich in Konsument und (Re-)Produzent ist die rechtliche Diskriminierung zulässig.
Nun tritt Hegel entschieden für Urheberrechtsschutz ein, vordringlich weil er zuvor gezeigt zu haben meint, dass das geistige Eigentum dahingehend dem materiellen gleiche. So ist auch die Analogie zum Schutz des Handels gegen Raubüberfälle zu erklären. Tenor: You wouldn't download a car. Allerdings ist sich Hegel der enormen Schwierigkeiten bewusst, geistiges Eigentum korrekt zuzuordnen, da kaum festgestellt werden kann, ab welcher Schwelle der Variation ein Ursprungswerk zu dem des Variierenden wird. Ob Reproduktions/Rezeptionsleistungen im (geistes)wissenschaftlichen Betrieb ein Plagiat darstellen oder nicht, lässt sich nach Hegel nur selten rechtssicher nachweisen. Konsequenterweise stellt er auf die persönliche Ehre zur Verhinderung von Plagiaten ab. In der Beschäftigung mit diesen Themen gleitet Hegel fast in die Polemik ab, was sich im Diminuitivgebrauch niederschlägt. Man ist geneigt, persönlichen Ärger dahinter zu vermuten.
Besieht man nun die entschuldigende Klarstellung Zizeks, so kann man ihm seiner eigenen Argumentation nachgehend mit Hegel vielleicht zugute halten, dass er gerade nicht durch ein „Modifikatiönchen” (S. 149) fremde geistige Leistung in eigene zur transformieren suchte, sondern vielmehr eine verhältnismäßig analysefreie Zusammenfassung übernimmt. Auffallend im direkten Textvergleich sind aber doch einige editorische Änderungen, aus denen klar folgt, dass jemand sich mit dem Text befasst und ohne Antastung des Inhalts um größere Lesbarkeit bemüht hat. Der trügerische „Stempel des seinigen” scheint zwar ein geringeres Vergehen, wenn er originären Thesen des Autors fernbleibt, ist aber gleichwohl eines, da er die von Hegel aufgezeigte Eigentumsspaltung missachtet. Mit der Absicht des Verschleierens findet sich das Plagiat in besonders düsterer Gesellschaft. Doch ich will Zizek hier nichts weiter unterstellen. Mag sein, dass sein Freund spaßeshalber ein bisschen im Text herumgefuhrwerkt hat, und ihn dann nichtsahnend weiterverschickte. Der Großmütter- und Erstsemester-Rat, fremde Sätze in eigenem Text zu vermeiden oder klarzumachen bedarf hier keiner weiteren Erläuterung. Die offene Formulierungsübernahme ist in meinen Augen entgegen öffentlicher Ansicht meist keine Schandtat, sondern eine Ehrerbietung. Dem inkriminierten Journal freilich gebührt hier wenig Ehre. Wie ein solcher Fauxpas abzustellen ist? Man ist geneigt zeitgenössisch zu rufen: Let me google that for you.
Abschließend noch ein Verweis auf Rezeption der Hegel'schen Überlegungen an anderer Stelle im Kontext der Schavan-Affäre.
Nun weg von solch ephemeren Äffären und zum hochinteressanten §70. Hegel wendet sich hier gegen den Selbstmord, denn er ist grundsätzlich der brisanten Auffassung, man habe kein Recht am eigenen Leben und an der eigenen Person. Der Staat allein habe dieses, und dürfe ergo den Tod des Einzelnen fordern. Das Argument erscheint mir wenig haltbar, ist aber durchaus tiefgründig und mir bislang im Kontext Sterbehilfe noch gar nicht in den Sinn gekommen, weil ich derlei Rechte immer für selbstverständlich hielt. „Verstehen kann man es wohl, aber nicht rechtfertigen” Diesem Urteil Hegels kann ich also ersichtlich nicht folgen, und muss mich nun damit befassen, seinen Einwand abzuwehren. Er trifft nämlich in den Kern meines Arguments, welches entlang der Metapher der inneren Zitadelle (Isaiah Berlin) ein Recht forderte, jene den Tod der Hausherrn verursachend einzureißen, indem er Haus und Herrn für untrennbar hält.
Grundsätzlich möchte ich nachstehende Verteidigung unter Verwendung von Textschnipseln aus einem älteren Vortragsskript vorbringen: Wenn die Religion aus der Sphäre des Faktischen ausgeklammert und als menschliche Phantasie betrachtet wird, dann folgt, dass wir unser Leben nicht geliehen, nicht gepachtet, nicht entlehnt haben von einer höheren herrschenden Macht. Dann folgt, dass wir kraft der Menschenwürde allein gegenüber uns selbst und der Gesellschaft Verantwortung tragen. Hegel stellt die Gesellschaft bzw. den Staat weit über das Individuum. Gerade diese Sicht erscheint mir widersprüchlich. Wenn in der Extremsituation dem Einzelnen die höchste, weil finale, Entscheidung hin zum eigenen Tod durch den Staat mit Hegels Argumentation verwehrt wird, steigt dieser höher als es die eigenen Fundamente erlauben und muss fallen. Der Staat nämlich ist gebaut auf die Menschenwürde als freie Selbstbestimmung gleichberechtigter Individuen, und er darf diese seine Quelle nicht mehr als unbedingt zu ihrem Selbsterhalt nötig beschränken. Anders gesagt: Ich sehe keinen Grund, auf den man die Hegel'sche Forderung sicher stellen könnte. Damit ist noch nicht widerlegt, dass Persönlichkeit und Leben eins sind, aber gezeigt, dass eine solche Annahme hochgradig inkompatibel mit dem individualistischen Würdemodell heutiger Grundrechte ist.
Anders steht es mit einer Bewertung des Suizids von außen. Auf verschiedene Weise kann man nämlich überzeugend darlegen, dass es nicht Sache des Staates ist, den Selbstmord durch die Exekutive zu ermöglichen, sondern dass er ihn vielmehr, obwohl von innen gerechtfertigt, in fast allen Situationen verhindern muss. Ich möchte die dazu von mir gebrauchten Rechtfertigungen hier jetzt nicht einzeln vorstellen, das würde den Rahmen sprengen. Grundsätzlich geht es aber immer darum, dass der Staat sich nicht über die Qualität der Entscheidung des Suizidenten sicher sein kann und daher von "er/sie wird sich den eigenen Tod nicht gewünscht haben werden" ausgehen muss.
Man kann aber auch einen einigermaßen anderen „Denkweg” (Axel Honneth hat mich mit diesem wunderbaren Wort vertraut gemacht) verfolgen. Zunächst wird Hegel Recht gegeben, dass man von einem eigentumsähnlichen Verfügungsrecht über das eigene Leben nicht sprechen kann. Angenommen dem wäre nämlich so, dann würde die Entäußerung am Eigentum des Lebens die Unmöglichkeit jedweder weiteren Eigentumshandlung logisch hervorbringen, wodurch sich jene Entäußerung von allen anderen unterscheidet. Lax gesprochen: Sich das Leben nehmen geht nicht auf ebay. Diese Unterscheidung führt zu einer ungerechtfertigten begrifflichen Verwirrung. Genannter Verwirrung möchte ich durch einen Neologismus entgehen. Das Verhältnis zwischen Person und Leben ist zwar in der Tat ein eigentumsähnliches, aufgrund der oben gezeigten Letalität der Entäußerung doch fundamental verschiedenes. Eigensein scheint mir der geeignetere Begriff. Ich habe den Befehl über mein Leben, nicht aber den Besitz daran, da der Begriff des Besitzes sich durch einen reflexiven Zusammenfall von Besitzer und Besitz auflöst. Besitz bedarf der Differenz.
Sodann geht dieser Denkweg in den obigen über, denn auch Eigensein erfordert das Recht zur Selbstzerstörung, um nicht widersprüchlich die Selbstbestimmung gegen sich selbst ins Feld zu führen. Ein Recht über sich hat man dann immer noch, aber es ist kein Recht über ein äußeres, und der Zirkelschluss ist ein willkommener, ihm allein entspringt nämlich die Garantie der Freiheit.
Zum Ausklang möchte ich noch zwei Punkte vorbringen, die mir nach Abfassung obiger Textstellen online begegneten. Wohnortbedingt verbrachte ich den vorgestrigen Tag größtenteils außer Haus, da eine Bombenentschärfung vonstatten ging. Wieder daheim recherchierte ich ein wenig zu den Rechtsgrundlagen der Verbannung. Irgendein liberaler Instinkt in mir störte sich nämlich daran, dass es volljährigen Anwohnern untersagt ist, auf eigenes Risiko im Sperrbereich zu bleiben. Nicht dass ich dergleichen vorgehabt hätte, aber die von meinen Diskussionspartnern zum Gedankenexperiment aufgeworfenen Einwände vermochten mich nicht vollständig zu überzeugen. Meist wurde auf Eigentumsschutz (die Mehrheit der Wohnungen steht ja kurzfristig leer) oder praktische Undurchführbarkeit abgestellt. Diesen Schwierigkeiten wären aber durch Aufenthalt in der Nähe der Einsatzkräfte und Ausfüllen eines Formulars inklusive Kennzeichnung der eigenen Person beizukommen. In der Lösung zu einer Klausur an der HWR Berlin fand sich ein umfassenderes Argument: „Die Grundrechte [sind] Ausdruck einer objektiven Werteordnung (...), die eine objektiv-rechtliche Schutzpflicht der Staatsorgane begründen. Hier überwiegt die staatliche Sicherheitsgewährleistung
das freiheitssichernde Wesen der Grundrechte. Je höher der Rang des betroffenen Grund-
rechts und intensiver die Gefahr, desto schwächer die Möglichkeit des Grundrechtsträgers
zum Selbstschutz und umso höher die staatliche Schutzpflicht.” (aus: Letzte Seite obiger Link) Ergo gibt es speziell im vorliegenden Fall, aber vielleicht auch allgemein kein 'Recht auf Selbstgefährdung'. Mit den obigen pragmatischen Einwänden ist der Fall sicher schneller gelöst, aber das Argument aus der Musterlösung entfaltet sich in ungleich gewaltigere Tiefen, denn viel menschliches Handeln ist naturgemäß Selbstgefährdung. Hier gelangt man wieder zum schwerwiegenden Thema des Selbstmords und der Sterbehilfe, die mir aktuell noch viel mehr ein Anliegen ist. Der Mainzer Jurist Friedhelm Hufen argumentiert nämlich in seinem Aufsatz „In dubio pro dignitate” in Berufung auf verschiedene Quellen ähnlich: Weil der Staat eine Schutzpflicht für das Leben und die Achtung desselbigen als hohen Wert in der Gesellschaft hat, sei ein Verbot der aktiven Sterbehilfe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die individuelle Freiheit werde also staatlichen Schutzbestrebungen untergeordnet. Nichtsdestotrotz erkennt Hufen dem Gesetzgeber in diesbezüglichen Angelegenheiten weiten Entscheidungsspielraum zu, der auch zur Erlaubnis der aktiven in genau begrenzten Fällen führen könne. Die vorherige Verbotsrechtfertigung wird aber von dieser relativierenden Feststellung Hufens in seiner Wirkmächtigkeit nur wenig beeinträchtigt.
Im Falle der Bombenentschärfung ist die staatliche Schutzpflicht, wie auch andere Argumente, sicherlich berechtigt ins Feld geführt. Aus Lust an Sensation und Gefahr oder aus Bequemlichkeit eine Entschärfung zu stören ist schwerlich eine begründete Handlung. Anders aber ist es mit der Entscheidung über das eigene Leben, bei der sich die Freiheit des Menschen in größte Höhen aufschwingt um sich vernichtend hinabzustürzen. Wie das Argument hier genau zu bewerten ist, und wie vielleicht ein innerer Zusammenhang zwischen beiden Situationen genau gestaltet möchte ich andernorts und anderntags untersuchen.
Der zweite Punkt ist lediglich ein themenbezogener Hinweis: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland hat erklärt, er werde den möglichen Wunsch seiner Frau nach Sterbehilfe aus Liebe und entgegen seiner Überzeugung unterstützen.
Mit diesem Exkurs möchte ich die Spaziergängen durch den Hof des Idealismuskaisers zum Ende bringen, bedauere kurz nicht noch die Diskurstheorie eingeflochten zu haben und verabschiede mich in der Hoffnung, verständlich und erhellend gewesen zu sein.
Gedankengarten
Gedichte, Essays, Kommentare und was sonst gedeiht
Donnerstag, 17. Juli 2014
Freitag, 23. Mai 2014
Zum Tag des Grundgesetzes
Ganz unbefangen und ohne nicht haltbare Neuanfangsversprechen im folgenden ein kleiner abendlicher Text zum heutigen Tag:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ich lasse mir diesen schönsten aller Artikel aus dem sprachdurchströmten Reich der Normen im Geist zergehen. Ich spreche ihn wieder und wieder und ich koste die Worte. Dann fährt mir ein Schauer über den Rücken, steigt zum Kopfe auf; dann bin ich mitgerissen von diesem strahlenden, herrschenden, fordernden, weltverwandelnden Wundersatz. Und dann lebe ich, mit jeder Faser meines begeisterten, aufschäumenden Verstandes ein Leben im Sinne der Würde. Denn ein Gesetz überzeugt nicht allein durch die Wahrheit seiner Begründung und die Macht seiner Bedeutung, ein Gesetz überzeugt auch durch die Feinheit seiner Formulierung und durch die Anmut seiner Ausdrucksweise.
Eine glänzende Eleganz der Ewigkeit umschwebt diesen ersten und größten Satz der deutschen Gesetze, den wir heute und alle Tage zu ehren berufen sind.
Es sei an dieser Stelle dem Lesenden noch die Lektüre der wunderbaren Rede von Navid Kermani anempfohlen. Über den Paradoxcharakter der Unantastbarkeit lasst sich unergründlich und gleichsam grundlos streiten, möglicherweise werde ich jenem Aspekt kommend ein wenig Aufmerksamkeit widmen.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Ich lasse mir diesen schönsten aller Artikel aus dem sprachdurchströmten Reich der Normen im Geist zergehen. Ich spreche ihn wieder und wieder und ich koste die Worte. Dann fährt mir ein Schauer über den Rücken, steigt zum Kopfe auf; dann bin ich mitgerissen von diesem strahlenden, herrschenden, fordernden, weltverwandelnden Wundersatz. Und dann lebe ich, mit jeder Faser meines begeisterten, aufschäumenden Verstandes ein Leben im Sinne der Würde. Denn ein Gesetz überzeugt nicht allein durch die Wahrheit seiner Begründung und die Macht seiner Bedeutung, ein Gesetz überzeugt auch durch die Feinheit seiner Formulierung und durch die Anmut seiner Ausdrucksweise.
Eine glänzende Eleganz der Ewigkeit umschwebt diesen ersten und größten Satz der deutschen Gesetze, den wir heute und alle Tage zu ehren berufen sind.
Es sei an dieser Stelle dem Lesenden noch die Lektüre der wunderbaren Rede von Navid Kermani anempfohlen. Über den Paradoxcharakter der Unantastbarkeit lasst sich unergründlich und gleichsam grundlos streiten, möglicherweise werde ich jenem Aspekt kommend ein wenig Aufmerksamkeit widmen.
Montag, 24. September 2012
Ein Schmankerl zum Wiedereinstieg
In den Zeiten der langen Abende und den Namen nicht verdienenden Tagen bietet es sich an, diesen Blog wieder zu beleben, einige alte Einträge zu erneuern und geplante neue anzufertigen. Zum Einstieg ein kleiner Ausschnitt aus Bodo Kirchhoffs Buch „Die Liebe in groben Zügen”, der weder in Bezug zu den kommenden Inhalten noch zum eigentlichen Thema des Buches steht, sondern mir lediglich beim Durchblättern ins Auge fiel. Alle die Geschichten schreiben und erzählen, wie ich das manchmal tue, werden das geschilderte Problem kennen.
Das dahinterstehende philosophische Grundproblem, nennen wir es den „Subjektivitätssprung”, erscheint mir einer tiefgreifenden philosophischen Untersuchung würdig. So mir die dafür erforderliche Zeit vergönnt ist wird dies wenigstens fragmentarisch hier geschehen.
[am 1.06.14 geringfügig verändert]
Das Dilemma jedes Erzählens: ganz bei den Tatsachen bleiben, auf die Gefahr hin, nichts Besonderes zu erzählen (Das ist der Herbst, willkommen in der Pfalz …), oder eine eigene Wahrheit schaffen, mit dem Risiko, dass andere sie abtun können, als pure Erfindung. Was bleibt einem bei dem Dilemma?
Man kann nur schweigen oder weitererzählen, und dann hilft es, wenn Fakten und Erzählerwahrheit gelegentlich ein und dasselbe sind wie bei Reiseumständen, etwa Flughäfen, wo Passagiere nach einer schlechten Nacht mit zu wenig Fußraum und trockener Luft in der bekannten Verfassung ankommen.
Das dahinterstehende philosophische Grundproblem, nennen wir es den „Subjektivitätssprung”, erscheint mir einer tiefgreifenden philosophischen Untersuchung würdig. So mir die dafür erforderliche Zeit vergönnt ist wird dies wenigstens fragmentarisch hier geschehen.
[am 1.06.14 geringfügig verändert]
Sonntag, 11. März 2012
Lebensart und Lebensort
Eine kurze, durchaus polemische Analyse zum Sarrazin-Zitat
Betrachten wir zunächst den Hauptsatz. Dieser scheint angenehme Züge zu tragen. Räumt er doch, aus dem Munde des Thilo Sarrazin, vordergründig mit dem Vorurteil auf, Immigrations-Kritisierer, "Sarrazinisten" und sonstige Konsorten hätten ein Problem mit individuellen Lebensweisen und Kulturen. Stattdessen möchte er zeigen, wie wenig man vorhabe, irgendjemandem Vorschriften zu machen und spricht für persönliche Autonomie. Scheinbar. Der zweite Teil des Zitates klärt solche hoffnungsvollen Vermutungen restlos und radikal. Den vorher akzeptablen individuellen Lebensarten wird nur ein bleischweres "uns" entgegengeworfen, versehen mit der unerheblichen Abschwächung "unbedingt". Impliziert sind drei bemerkenswerte Konzepte:
a) Zuvorderst wird die Toleranz plötzlich von ihrer Universalität befreit, die sie zuvor noch zu tragen schien, und strikt ortsgebunden. Frei nach dem polemischen Motto: "Beim Türken ist es lecker, nur bitte nicht in meiner Nachbarschaft".
b) Damit geht die unausweichliche Frage einher, um welchen Orte es sich denn handeln solle. Wo liegt dieses "bei uns". Augenscheinlich kann es sich nicht allein um die Bundesrepublik Deutschland handeln, denn spräche Sarrazin so brachial, würde er den "Kulturen der barbarischen Ausländer" den vorbildlichen Rechtsstaat Deutschland entgegensetzten und folglich auf geradezu kolonialistischen Pfaden wandeln. Stattdessen arbeitet man subtiler. "Bei uns" soll, so scheint es mir, eine Definition Deutschlands über ein diffuses Kulturbild leisten, welches ein jeder mit seinen eigenen Vorstellungen des Germanentums auszuschmücken vermag. Aus ebendiesem Grunde wirkt der Satz so ansprechend, denn nun ist es möglich, die Gruppe des "uns" zu konstruieren und sie mit spaltender Absicht jeder beliebigen anderen Gruppe zum Kontraste gegenüberzustellen. Es ist leicht möglich, die Schleier jenes verschwommen glorifizierten Bildes zu lüften; man muss lediglich um eine präzise Definition bitten. Selbst wenn diese geleistet werden kann, z.B. über das Grundgesetz oder die Staatsbürgerschaft, so verliert sich der das Zitat vorbringende schnell in Widersprüchen oder Unbeweisbarkeiten. Fälle, in denen weitere Argumente oder eine im ersten Moment zulässige Definition genannt werden, möge man mir mitteilen.
c) Unterschwellig klingt noch ein weiteres bizarres Verständnis in jenem Ausspruch an. In der Konfrontation zwischen vorgeblich tolerierter individueller Lebensweise und dem imaginierten "uns" wird zweiteres indirekt ersterem vorgezogen, oder zumindest als vorteilhaft dargestellt. Dies wird umso deutlicher, je mehr man sich in die weiteren Aussagen vonseiten Sarrazin und co. hineinarbeitet. Und vermittels dieser Bevorzugung erhebt sich die totgeglaubte Trennung zwischen Barbaren und zivilisierter Welt, wenn auch nur schemenhaft, erneut.
Kurz gesagt: Das Zitat suggeriert zunächst Toleranz, schützt diese aber nur vor, um dem Leser die Konstruktion und folgende Gegenüberstellung einer vagen, mit "uns" bezeichneten Gruppe & falsches "uns"und den zuvor indirekt angesprochenen "unerwünschten" Lebensweisen zu ermöglichen.
(Anmerkung des Verfassers: Man wird dem Text die Uhrzeit durchaus anmerken. Ich bitte daher um Nachsicht und kündige an, morgen Verbesserungen und Klarstellungen vorzunehmen)
"Jeder soll leben wie er möchte, aber nicht unbedingt bei uns"welches an verschiedenster Stelle genutzt und instrumentalisiert wird.
Betrachten wir zunächst den Hauptsatz. Dieser scheint angenehme Züge zu tragen. Räumt er doch, aus dem Munde des Thilo Sarrazin, vordergründig mit dem Vorurteil auf, Immigrations-Kritisierer, "Sarrazinisten" und sonstige Konsorten hätten ein Problem mit individuellen Lebensweisen und Kulturen. Stattdessen möchte er zeigen, wie wenig man vorhabe, irgendjemandem Vorschriften zu machen und spricht für persönliche Autonomie. Scheinbar. Der zweite Teil des Zitates klärt solche hoffnungsvollen Vermutungen restlos und radikal. Den vorher akzeptablen individuellen Lebensarten wird nur ein bleischweres "uns" entgegengeworfen, versehen mit der unerheblichen Abschwächung "unbedingt". Impliziert sind drei bemerkenswerte Konzepte:
a) Zuvorderst wird die Toleranz plötzlich von ihrer Universalität befreit, die sie zuvor noch zu tragen schien, und strikt ortsgebunden. Frei nach dem polemischen Motto: "Beim Türken ist es lecker, nur bitte nicht in meiner Nachbarschaft".
b) Damit geht die unausweichliche Frage einher, um welchen Orte es sich denn handeln solle. Wo liegt dieses "bei uns". Augenscheinlich kann es sich nicht allein um die Bundesrepublik Deutschland handeln, denn spräche Sarrazin so brachial, würde er den "Kulturen der barbarischen Ausländer" den vorbildlichen Rechtsstaat Deutschland entgegensetzten und folglich auf geradezu kolonialistischen Pfaden wandeln. Stattdessen arbeitet man subtiler. "Bei uns" soll, so scheint es mir, eine Definition Deutschlands über ein diffuses Kulturbild leisten, welches ein jeder mit seinen eigenen Vorstellungen des Germanentums auszuschmücken vermag. Aus ebendiesem Grunde wirkt der Satz so ansprechend, denn nun ist es möglich, die Gruppe des "uns" zu konstruieren und sie mit spaltender Absicht jeder beliebigen anderen Gruppe zum Kontraste gegenüberzustellen. Es ist leicht möglich, die Schleier jenes verschwommen glorifizierten Bildes zu lüften; man muss lediglich um eine präzise Definition bitten. Selbst wenn diese geleistet werden kann, z.B. über das Grundgesetz oder die Staatsbürgerschaft, so verliert sich der das Zitat vorbringende schnell in Widersprüchen oder Unbeweisbarkeiten. Fälle, in denen weitere Argumente oder eine im ersten Moment zulässige Definition genannt werden, möge man mir mitteilen.
c) Unterschwellig klingt noch ein weiteres bizarres Verständnis in jenem Ausspruch an. In der Konfrontation zwischen vorgeblich tolerierter individueller Lebensweise und dem imaginierten "uns" wird zweiteres indirekt ersterem vorgezogen, oder zumindest als vorteilhaft dargestellt. Dies wird umso deutlicher, je mehr man sich in die weiteren Aussagen vonseiten Sarrazin und co. hineinarbeitet. Und vermittels dieser Bevorzugung erhebt sich die totgeglaubte Trennung zwischen Barbaren und zivilisierter Welt, wenn auch nur schemenhaft, erneut.
Kurz gesagt: Das Zitat suggeriert zunächst Toleranz, schützt diese aber nur vor, um dem Leser die Konstruktion und folgende Gegenüberstellung einer vagen, mit "uns" bezeichneten Gruppe & falsches "uns"und den zuvor indirekt angesprochenen "unerwünschten" Lebensweisen zu ermöglichen.
(Anmerkung des Verfassers: Man wird dem Text die Uhrzeit durchaus anmerken. Ich bitte daher um Nachsicht und kündige an, morgen Verbesserungen und Klarstellungen vorzunehmen)
Mittwoch, 29. Februar 2012
Über den Schutz des Urhebers in der Kunst
(I) Einleitung
Angetrieben von der Lektüre des Buches "Little Brother" von Cory Doctorow und einigen persönlichen Diskussionen habe ich beschlossen, mich, auch vor dem Hintergrund der schwelenden ACTA-Debatte, einmal dediziert und differenziert mit dem Urheberschutz [1] auseinanderzusetzen. Ich werde mich im Folgenden auf den Privatbereich und den dortigen Umgang mit geistigen künstlerischen Werken beschränken.
ACTA zielt an dieser Stelle offenkundig darauf ab, den Urheberschutz durch Verhinderung von Kopien ohne entsprechende finanzielle Gegenleistung sicherzustellen. Um nun, unabhängig vom detaillierten Vorgehen, untersuchen zu können, wie das Fundament eines gangbaren Weg in Mitten der Debatte sich gestalten könnte, muss man Zweckfragen stellen.
Die zwei zentralen Fragestellungen scheinen nun zu lauten: Warum braucht es Urheberschutz für künstlerische Werke? Warum kopiert man? Es erscheint mir nötig, die erste Frage auf einen noch erheblich allgemeineren Fragenkomplex zurückzuführen [2]: Warum schreibt man? Warum malt man? Warum komponiert man? Warum schafft man Kunst? Erst wenn die Intention des Künstlers [3] (II) aufgeschlüsselt ist, kann klar werden, wozu ein Urheberschutz dienen soll (III). Anschließend kann man sich der Intention des Kopierenden zuwenden, und sie mit jener des Schaffenden vergleichen.
Ich weise an dieser Stelle nochmals auf die schon in der Fußnote [2] angeklungene Einschränkung hin.
(II) Warum also schafft man Kunst?
Ich favorisiere zur Beantwortung dieser Frage ein Modell mit vier Ebenen. Der Kundige wird in meiner Weise, auf das Thema einzugehen, Anklänge aus Sartres Buch "Was ist Literatur?" erkennen können. Alle weiteren Thesen und Argumente extrahiere ich aus meinem künstlerischen Selbstgefühl und versehe sie mit einer rationalen Unterfütterung. Ich erhebe daher keinesfalls den Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sondern möchte das hier vorgebrachte Konzept lediglich als einen Vorschlag verstanden wissen, der der Ergänzung bedarf.
Auf der nullten Ebene findet sich das Welterleben des Individuums und die in Verbindung mit der Möglichkeit des Geistes, auf die Welt vermittels von Werkzeugen [4] dergestalt einzuwirken, dass sich eine Form von Dingen ergibt, aus der ein anderer Geist wiederum einen Sinn ableiten kann, entstehende Notwendigkeit, seine Gefühle und Ansichten formhaft werden zu lassen. Diese Notwendigkeit, gewissermaßen ein innerer Zwang zur Kunst, besteht beileibe nicht bei allen Menschen, ich glaube jedoch, dass viele von uns einmal jenen Drang verspürt haben werden; gewiss besonders wenn sie mit der wunderbaren Welt des künstlerischen Ausdrucks in Berührung gekommen sind. Ich setze diese individuelle Notwendigkeit auf die nullte Ebene, da ich mich mit der Intention des Künstler befassen möchte, welche erst aus jenem Drang hervorzugehen vermag.
Auf der ersten Ebene liegt nun das Gefallen am Schaffensprozess selbst. Gerade wer das oftmals gewaltige Projekt angeht, ein Gemälde zu malen, eine Zeichnung anzufertigen, einen Roman zu schreiben oder ein Album zu komponieren bzw. zu interpretieren findet nicht aus bloßer Anweisung zu dieser Tätigkeit, sondern sie muss ihm auch ungemeines Vergnügen bereiten. Ich kann nur von mir selbst sprechen: Die einsame Tätigkeit des Schreibens vollzieht sich, insbesondere bei der Prosa, nur dann zufriedenstellend, wenn nicht jeder Gedanke zum Ziel vorauseilt und bereits den Erfolg vor sich hat, sondern wenn das Verweilen im Wort des Augenblicks schon erfreut, wenn der Prozess des Sich-Versenkens in fiktionalen Welten eine gewaltige Anziehungskraft ausübt. Man könnte diese erste Ebene in gewisser Weise auch als "l'art pour l'art" verstehen.
Auf der zweiten Ebene folgt ein Kommunikationsbedürfnis des Geschaffenen. Wenn auch viele nur "für die Schublade schreiben" oder zum Zwecke der Erinnerung und Entwicklung den künstlerischen Ausdruck wagen, so tragen doch die allermeisten Kunstwerke den unzweifelhaften Wunsch in sich, perzipiert und rezipiert zu werden. Der Künstler richtet sich mit seinem Werk nicht nur an ihm bekannte Personen, darunter im Falle der Selbstreflexion er selbst, sondern auch an einen ihm unbekannten Personenkreis, den Sartre das "virtuelle Publikum" nannte. Folgend erfährt der Leser, auf welchen sich Sartre fokussiert seiner Meinung nach eine Vereinigung mit dem in den Worten vorhandenen Geist des Autors und seiner Zeit über den Angelpunkt des Buches. Ich bin der Auffassung, dass sich diese Idee der Vereinigung auch auf alle anderen Formen der Kunst [5] übertragen lässt [6]. Der Künstler richtet sich also mit seinem Werk an die Welt.
Folglich besitzen insbesondere die Formen der Kunst, denen eine komplexe Bedeutung immanent ist [7] und die aus dem Welterleben des Künstlers resultieren, einen Bezug zur Situation oder zu einer Teilsituation der Welt und des Menschen; somit den Anspruch, über diese Zeugnis abzulegen oder sie sogar zu verändern. Jene dritte Ebene ist mit der zweiten logischerweise eng verzahnt. Zwischen dem Anspruch, Zeugnis abzulegen und dem, zu ändern muss differenziert werden. Denn bereits schon simples Liebesgedicht legt Zeugnis ab, wohingegen die Intention der Veränderung nicht zwangsläufig vorliegen muss. Beliebtestes Beispiel jener Intention ist die Anprangerung der sozialen und politischen Verhältnisse, aber es finden sich Exempel zu allem, was irgendwie auch nur im entferntesten einen Bezug zur Menschheit aufweist. Warum aber, so könnte man jetzt nach einer wissenschaftlichen, unzweideutigen Sprache verlangend fragen, schreibt man dann nicht einfach ein Sachbuch, welches dem Verstande viel zugänglichere Analysen ermöglicht?
Ich sehe hier zwei wesentliche Gegenargumente. Zum einen, aus zweckorientierter Sicht, vermag die Erweckung von Emotion den wie auch immer gearteten Gehalt stärker oder anders zum Ausdruck zu bringen, zum anderen ist im auf der zweiten Ebene angesprochenen Wunsch nach Perzeption und Rezeption auch das Verlangen nach ästhetischer und emotionale Wirkung enthalten.
Bemerkenswerterweise kam, und das bin ich bestrebt zu zeigen, das Wort "Geld" im gesamten Modell bislang noch gar nicht vor. Das primäre Interesse des Künstlers kann, ja seine zuvorderste Intention darf nicht finanzieller Natur sein, andernfalls leiden alle von mir geschilderten Aspekte im erheblichen Maße. Ich wage sogar die radikale These [8]: Alle Kunst wird profan, wenn sie dem Gelde wegen entsteht. Freilich weiß ich, dass selbst dem weltfernsten Künstler monetäre Aspekte nicht gänzlich abgehen werden, ich bin mir sogar sicher, dass ein Teilbereich der Intention, bestimmte Projekte zu beginnen, stets finanzieller Art sein wird. Es geht mir also darum, dass sich der Künstler über den Anteil dieser Beweggründe an seiner Gesamtintention bewusst wird, um dann zu entscheiden, inwieweit er dies gutheißt.
Diese Überlegungen bringen uns bereits zur zentralen Frage: Wozu dient der Urheberschutz? Wenn der Hauptzweck der Kunst nicht ist, dem Schaffenden Geld zu erwirtschaften, sondern die tatsächliche Intention sich in die oben beschriebenen vier Ebenen aufgliedert, so wird offenkundig, was ein Urheberschutz primär leisten muss: Die Ermöglichung von Lebensumständen, in welchen die Künstler finanziell und sozial gesichert (weiter) schaffen können [9]. Erst ein Nebeneffekt des Urheberschutzes, da es sich bei dem Künstler um einen skalierbaren Beruf [10] handelt, ist das Verdienen am Gefallen der Rezipienten. Dass die einen mit ihren Büchern Milliardär werden können, während andere vollkommen unabhängig von der subjektiv wahrgenommenen Qualität ihrer Werke sich mit einem Hungerlohn abfinden müssen, ist ein mit der kapitalistischen Gesellschaft verschmiedetes Grundproblem, welches ich hier weder beheben noch behandeln will und kann. Stattdessen möchte ich meine Aufmerksamkeit auf das grundlegende Recht des Künstlers, mit seinen Werken Geld zu verdienen lenken. In einer das Eigentum erlaubenden Gesellschaftsordnung halte ich es nämlich für unabdingbar, dass der Künstler für sein Werk vom Konsument entlohnt werden kann, so er dies verlangt. Gleichzeitig muss aber jeglichem Bürger eine Art "Einsichtsrecht", vermittels öffentlicher Bibliotheken, zugestanden werden [11]. Logischerweise folgt aus dem Recht auf Bezahlung ein Verbot, sich ein Werk dergestalt zunutze zu machen, dass man daran verdient oder durch es Vorteile erlangt, ohne es geschaffen zu haben. Konkret heißt dies: Niemand darf, so der Schaffende dies nicht explizit erlaubt hat, ein Werk unter anderem Namen verkaufen, ohne es geschaffen zu haben.
Daraus folgt, dass ich Modellen wie Megaupload entschieden widerspreche, da dort der Geldfluss den vollkommen falschen zuläuft. Ebenso halte ich es für falsch, dass die Content-Industrie übermäßige Anteile des Kaufpreises von reproduzieren Kunstwerken einzieht. Ihre Leistung besteht nur in der Verbreitung und Herstellung der Kopie, in einigen Fällen auch des Managements des Künsters; dafür darf sie zwar Geld verlangen, nicht aber mit derart unmäßigen Profitmargen.
Andere Lohnmodelle, bei denen die Beziehung zwischen Konsument (der ein kaufender Rezipient und Perzipient ist) und Künster direkter ist, wären aus meiner Sicht vorzuziehen.
Wenden wir uns folgend der schon angeschnittenen zweiten Leitfrage zu.
(III) Warum kopiert man?
Unter dem Sammelbegriff des Kopierens verstehe ich hier: sich ein Kunstwerk, bei welchem dies nicht explizit vorgesehen ist, verschaffen. Ich will an dieser Stelle also nicht eine allgemeine Abhandlung über die Kopie verfassen, sondern nur die Intentionen derjenigen, die sich der "Piraterie" schuldig machen, untersuchen [12]. Hier meine ich, drei zentrale Gruppen der Intention für die illegale Verschaffung ausmachen zu können. Diese werde ich auch aus Sicht von Künster und Content-Industrie beleuchten:
a) Geldgründe. Kino.to rechtfertigte sich meines Wissens nach mit dem Argument der unangemessenen Medienpreise und des Konsumwunsches derer, die sich jene nicht leisten können, was ich angesichts der Profite für die Besitzer für eine Farce vonseiten derselbigen halte. Die Motivation der Konsumenten selbst ist dagegen umfassend verständlich, und, wenn auch nicht rechtlich, so doch moralisch legitim. Diese Kategorie wird für die Industrie nichtsdestotrotz unerreichbar, weil nicht profitabel, bleiben und fortwährend die Kopie oder den kostenlosen Zugang vorziehen. Hier könnte man lediglich ein Bewusstsein für die Arbeit des Künstlers schaffen, oder es verstärken.
b) Notorisches Ignorieren des Urheberschutzes oder andere ideologische Gründe. Auch diese Kategorie, in welche ich keinesfalls solche einsortiere, die es ablehnen den ungemein reichen Firmen weiter Geld in den Rachen zu werfen, bleibt für die Industrie unzugänglich. Zu denen die es, mit welcher Rechtfertigung auch immer, grundsätzlich, ablehnen Geld für Kunst zu zahlen, später unter dem Stichwort "kategorischer Imperativ" und im Update mehr.
c) Mangelnde Attraktivität der vorliegenden Modelle. Diese Gruppe, zu welcher sich wie mir scheint sehr viele Menschen rechnen, gilt es zu gewinnen. Die Industrie ist um jeden Preis angehalten zureichende und zeitgemäße Angebote zu schaffen [13]. Wie diese nun gestaltet sein mögen, ist ein weiterer Aspekt, um den ich zu debattieren bitte.
Mir bleibt nur noch zu verlangen, dass die Künstler und ihrer Intention den ihnen gebührenden fundamentalen Platz erhalten.
Zum Schluss noch eine oben angekündigte Anmerkung zum kategorischen Imperativ: Ich fordere, dass jeder einzelne, welcher Kunst oder sonstigen Content nicht "legal" bezieht, über die Maxime seines Willens im Klaren ist und sie kritisch reflektiert. Man muss also fragen: "Weshalb kaufe ich nicht? Welche Folgen zieht dies nach sich?", um dann zu einem differenzierten Urteil zu gelangen, an dessen Ende hoffentlich eine Zuordnung zur Kategorie c) steht.
Update: Beispielhaft für die Forderung der vollständigen Abschaffung des Urheberrechts ist der Tweet jenes ominösen Accounts. So simpel und pauschal kann man die Angelegenheit nicht sehen. Ich glaube schlichtweg nicht daran, dass sich aus reiner Vernunft oder aus emotionalen Gründen genug Menschen einfinden, die allen Künstlern ausreichende finanzielle Unterfütterung ermöglichen, auch wenn diese Absicht sehr lobenswert und zu fördern ist. Und weiterhin erscheint das mit der vollständigen Abschaffung des Urheberrechts einhergehende Verbot, selbst über die Verwendung seiner Werke zu bestimmten, sehr ungerechtfertigt, es sei denn, es ist auch verunmöglicht, mit gedanklichen Leistungen unter Verfälschung der Herkunft auf irgendeine Weise Geld zu verdienen. Die so oft chinesischen Unternehmern zugeschobene Absicht, mit der Kopie oder Weiterentwicklung fremder Ideen der Allgemeinheit zu nutze sein zu wollen, halte ich dabei für völlig realitätsfern.
Fußnoten:
[1] Ich bevorzuge diesen Begriff hier, da ich ausdrücklich nicht die konkrete rechtliche, sondern nur die prinzipielle Seite beleuchten will.
[2] Es handelt sich hier, aus meiner Sicht, um einen Essay oder zumindest einen freieren Aufsatz, in welchem ich meine persönliche Meinung darzustellen suche. Ich glaube darum, dass in jeder Hinsicht gewaltige und von Geistesgrößen studierte Themenfeld trotzdem begehen zu können. Sollten sich in mir unbekannter Literatur meiner Sicht widersprechende, oder gar sie ergänzende Texte finden, so bitte ich um Mitteilung; ich werde diese mit Freude lesen und bedenken.
[3] Ich verwende im gesamten Essay das generische Maskulinum "Künstler", um den Lesefluss nicht allzu sehr zu beeinträchtigen, was ich beileibe nicht für die Ideallösung halte. Wem dies missfällt, der möge mich benachrichtigen, und ich werde eine Änderung anstreben.
[4] Zu diesem Thema gibt es ein von langer Hand vorbereitetes Essay meinerseits, welches hoffentlich in einiger Zeit veröffentlicht wird.
[5] Ich werde gerade der Tatsache gewahr, dass ich die Computerspiele hier noch gar nicht erwähnt habe. Ich zähle sie selbstverständlich zur Kunst dazu und werde ihnen, aufgrund der Aktualität des Themas, ein separates Essay widmen.
[6] Im Falle der Instrumentalmusik, welcher Sartre ganz die bedeutungsvolle Ausdrucksweise abspricht, ist die Angelegenheit zwar komplizierter; ich meine aber dennoch, dass in Komposition und emotionaler Wirkung eines Werkes außerordentlich viele Bedeutungen liegen können.
[7] Man kann darüber streiten, welche dies nun sein mögen; ich münze diesen Terminus auf das geschriebene und gesungene Wort, das gemalte oder gezeichnete Bild, die plastische Kunst und das programmierte Spiel.
[8] Martin Haase (maha) empfahl im wunderbaren CRE 190 über Rhetorik, in einer Rede stets, gegen Ende, einen prägnanten, twitterbaren Satz unterzubringen. Ich versuche dem schon hier gerecht zu werden.
[9] Welche das genau sein mögen, obliegt der Meinung des Lesenden. Zumindest aber über denen, die der Hartz IV Satz ermöglicht.
[10] Dieser Begriff entstammt dem erleuchtenden Buch "Der Schwarze Schwan" von Nassim N. Taleb und bedeutet: Ein Beruf, in dem tatsächliche Leistung und Verdienst durch Reproduzierbarkeit des Geschaffenen nicht korrelieren.
[11] Bibliotheken können verständlicherweise nicht alle Werke kaufen. Wo man die Grenze ziehen soll, bzw. wie bei nicht online zur Verfügung gestellten Werken dieses Recht zu realisieren wäre, weiß ich noch nicht.
[12] Ich beabsichtige aber, in näherer Zeit Walter Benjamins "Das Kunstwerk in der Zeit seiner technischen Reproduzierbarkeit" zu lesen. Vielleicht werde ich mich dann noch einmal näher mit der Kopie auseinandersetzen. Doctorows Argument, die Kopie sei eine seit Urzeiten alltägliche Form des Informationsflusses, halte ich für vollkommen valide. Ich verlange daher, insbesondere bei Sachbüchern und wissenschaftlichen Periodika, eine Einsichtsmöglichkeit in öffentlichen Bibliotheken sicherzustellen. Im unter [5] angeschnittenen Essay wird es auch zu Teilen um die Kopie und die Reproduzierbarkeit gehen.
[13] Ein hier rezensierter und leider nicht online verfügbarer Text von Thomas Fischermann in der ZEIT gelangt zum gleichen Ergebnis. Auch die TAZ veröffentlichte heute einen in die selbe Richtung stoßenden Artikel.
Angetrieben von der Lektüre des Buches "Little Brother" von Cory Doctorow und einigen persönlichen Diskussionen habe ich beschlossen, mich, auch vor dem Hintergrund der schwelenden ACTA-Debatte, einmal dediziert und differenziert mit dem Urheberschutz [1] auseinanderzusetzen. Ich werde mich im Folgenden auf den Privatbereich und den dortigen Umgang mit geistigen künstlerischen Werken beschränken.
ACTA zielt an dieser Stelle offenkundig darauf ab, den Urheberschutz durch Verhinderung von Kopien ohne entsprechende finanzielle Gegenleistung sicherzustellen. Um nun, unabhängig vom detaillierten Vorgehen, untersuchen zu können, wie das Fundament eines gangbaren Weg in Mitten der Debatte sich gestalten könnte, muss man Zweckfragen stellen.
Die zwei zentralen Fragestellungen scheinen nun zu lauten: Warum braucht es Urheberschutz für künstlerische Werke? Warum kopiert man? Es erscheint mir nötig, die erste Frage auf einen noch erheblich allgemeineren Fragenkomplex zurückzuführen [2]: Warum schreibt man? Warum malt man? Warum komponiert man? Warum schafft man Kunst? Erst wenn die Intention des Künstlers [3] (II) aufgeschlüsselt ist, kann klar werden, wozu ein Urheberschutz dienen soll (III). Anschließend kann man sich der Intention des Kopierenden zuwenden, und sie mit jener des Schaffenden vergleichen.
Ich weise an dieser Stelle nochmals auf die schon in der Fußnote [2] angeklungene Einschränkung hin.
(II) Warum also schafft man Kunst?
Ich favorisiere zur Beantwortung dieser Frage ein Modell mit vier Ebenen. Der Kundige wird in meiner Weise, auf das Thema einzugehen, Anklänge aus Sartres Buch "Was ist Literatur?" erkennen können. Alle weiteren Thesen und Argumente extrahiere ich aus meinem künstlerischen Selbstgefühl und versehe sie mit einer rationalen Unterfütterung. Ich erhebe daher keinesfalls den Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sondern möchte das hier vorgebrachte Konzept lediglich als einen Vorschlag verstanden wissen, der der Ergänzung bedarf.
Auf der nullten Ebene findet sich das Welterleben des Individuums und die in Verbindung mit der Möglichkeit des Geistes, auf die Welt vermittels von Werkzeugen [4] dergestalt einzuwirken, dass sich eine Form von Dingen ergibt, aus der ein anderer Geist wiederum einen Sinn ableiten kann, entstehende Notwendigkeit, seine Gefühle und Ansichten formhaft werden zu lassen. Diese Notwendigkeit, gewissermaßen ein innerer Zwang zur Kunst, besteht beileibe nicht bei allen Menschen, ich glaube jedoch, dass viele von uns einmal jenen Drang verspürt haben werden; gewiss besonders wenn sie mit der wunderbaren Welt des künstlerischen Ausdrucks in Berührung gekommen sind. Ich setze diese individuelle Notwendigkeit auf die nullte Ebene, da ich mich mit der Intention des Künstler befassen möchte, welche erst aus jenem Drang hervorzugehen vermag.
Auf der ersten Ebene liegt nun das Gefallen am Schaffensprozess selbst. Gerade wer das oftmals gewaltige Projekt angeht, ein Gemälde zu malen, eine Zeichnung anzufertigen, einen Roman zu schreiben oder ein Album zu komponieren bzw. zu interpretieren findet nicht aus bloßer Anweisung zu dieser Tätigkeit, sondern sie muss ihm auch ungemeines Vergnügen bereiten. Ich kann nur von mir selbst sprechen: Die einsame Tätigkeit des Schreibens vollzieht sich, insbesondere bei der Prosa, nur dann zufriedenstellend, wenn nicht jeder Gedanke zum Ziel vorauseilt und bereits den Erfolg vor sich hat, sondern wenn das Verweilen im Wort des Augenblicks schon erfreut, wenn der Prozess des Sich-Versenkens in fiktionalen Welten eine gewaltige Anziehungskraft ausübt. Man könnte diese erste Ebene in gewisser Weise auch als "l'art pour l'art" verstehen.
Auf der zweiten Ebene folgt ein Kommunikationsbedürfnis des Geschaffenen. Wenn auch viele nur "für die Schublade schreiben" oder zum Zwecke der Erinnerung und Entwicklung den künstlerischen Ausdruck wagen, so tragen doch die allermeisten Kunstwerke den unzweifelhaften Wunsch in sich, perzipiert und rezipiert zu werden. Der Künstler richtet sich mit seinem Werk nicht nur an ihm bekannte Personen, darunter im Falle der Selbstreflexion er selbst, sondern auch an einen ihm unbekannten Personenkreis, den Sartre das "virtuelle Publikum" nannte. Folgend erfährt der Leser, auf welchen sich Sartre fokussiert seiner Meinung nach eine Vereinigung mit dem in den Worten vorhandenen Geist des Autors und seiner Zeit über den Angelpunkt des Buches. Ich bin der Auffassung, dass sich diese Idee der Vereinigung auch auf alle anderen Formen der Kunst [5] übertragen lässt [6]. Der Künstler richtet sich also mit seinem Werk an die Welt.
Folglich besitzen insbesondere die Formen der Kunst, denen eine komplexe Bedeutung immanent ist [7] und die aus dem Welterleben des Künstlers resultieren, einen Bezug zur Situation oder zu einer Teilsituation der Welt und des Menschen; somit den Anspruch, über diese Zeugnis abzulegen oder sie sogar zu verändern. Jene dritte Ebene ist mit der zweiten logischerweise eng verzahnt. Zwischen dem Anspruch, Zeugnis abzulegen und dem, zu ändern muss differenziert werden. Denn bereits schon simples Liebesgedicht legt Zeugnis ab, wohingegen die Intention der Veränderung nicht zwangsläufig vorliegen muss. Beliebtestes Beispiel jener Intention ist die Anprangerung der sozialen und politischen Verhältnisse, aber es finden sich Exempel zu allem, was irgendwie auch nur im entferntesten einen Bezug zur Menschheit aufweist. Warum aber, so könnte man jetzt nach einer wissenschaftlichen, unzweideutigen Sprache verlangend fragen, schreibt man dann nicht einfach ein Sachbuch, welches dem Verstande viel zugänglichere Analysen ermöglicht?
Ich sehe hier zwei wesentliche Gegenargumente. Zum einen, aus zweckorientierter Sicht, vermag die Erweckung von Emotion den wie auch immer gearteten Gehalt stärker oder anders zum Ausdruck zu bringen, zum anderen ist im auf der zweiten Ebene angesprochenen Wunsch nach Perzeption und Rezeption auch das Verlangen nach ästhetischer und emotionale Wirkung enthalten.
Bemerkenswerterweise kam, und das bin ich bestrebt zu zeigen, das Wort "Geld" im gesamten Modell bislang noch gar nicht vor. Das primäre Interesse des Künstlers kann, ja seine zuvorderste Intention darf nicht finanzieller Natur sein, andernfalls leiden alle von mir geschilderten Aspekte im erheblichen Maße. Ich wage sogar die radikale These [8]: Alle Kunst wird profan, wenn sie dem Gelde wegen entsteht. Freilich weiß ich, dass selbst dem weltfernsten Künstler monetäre Aspekte nicht gänzlich abgehen werden, ich bin mir sogar sicher, dass ein Teilbereich der Intention, bestimmte Projekte zu beginnen, stets finanzieller Art sein wird. Es geht mir also darum, dass sich der Künstler über den Anteil dieser Beweggründe an seiner Gesamtintention bewusst wird, um dann zu entscheiden, inwieweit er dies gutheißt.
Diese Überlegungen bringen uns bereits zur zentralen Frage: Wozu dient der Urheberschutz? Wenn der Hauptzweck der Kunst nicht ist, dem Schaffenden Geld zu erwirtschaften, sondern die tatsächliche Intention sich in die oben beschriebenen vier Ebenen aufgliedert, so wird offenkundig, was ein Urheberschutz primär leisten muss: Die Ermöglichung von Lebensumständen, in welchen die Künstler finanziell und sozial gesichert (weiter) schaffen können [9]. Erst ein Nebeneffekt des Urheberschutzes, da es sich bei dem Künstler um einen skalierbaren Beruf [10] handelt, ist das Verdienen am Gefallen der Rezipienten. Dass die einen mit ihren Büchern Milliardär werden können, während andere vollkommen unabhängig von der subjektiv wahrgenommenen Qualität ihrer Werke sich mit einem Hungerlohn abfinden müssen, ist ein mit der kapitalistischen Gesellschaft verschmiedetes Grundproblem, welches ich hier weder beheben noch behandeln will und kann. Stattdessen möchte ich meine Aufmerksamkeit auf das grundlegende Recht des Künstlers, mit seinen Werken Geld zu verdienen lenken. In einer das Eigentum erlaubenden Gesellschaftsordnung halte ich es nämlich für unabdingbar, dass der Künstler für sein Werk vom Konsument entlohnt werden kann, so er dies verlangt. Gleichzeitig muss aber jeglichem Bürger eine Art "Einsichtsrecht", vermittels öffentlicher Bibliotheken, zugestanden werden [11]. Logischerweise folgt aus dem Recht auf Bezahlung ein Verbot, sich ein Werk dergestalt zunutze zu machen, dass man daran verdient oder durch es Vorteile erlangt, ohne es geschaffen zu haben. Konkret heißt dies: Niemand darf, so der Schaffende dies nicht explizit erlaubt hat, ein Werk unter anderem Namen verkaufen, ohne es geschaffen zu haben.
Daraus folgt, dass ich Modellen wie Megaupload entschieden widerspreche, da dort der Geldfluss den vollkommen falschen zuläuft. Ebenso halte ich es für falsch, dass die Content-Industrie übermäßige Anteile des Kaufpreises von reproduzieren Kunstwerken einzieht. Ihre Leistung besteht nur in der Verbreitung und Herstellung der Kopie, in einigen Fällen auch des Managements des Künsters; dafür darf sie zwar Geld verlangen, nicht aber mit derart unmäßigen Profitmargen.
Andere Lohnmodelle, bei denen die Beziehung zwischen Konsument (der ein kaufender Rezipient und Perzipient ist) und Künster direkter ist, wären aus meiner Sicht vorzuziehen.
Wenden wir uns folgend der schon angeschnittenen zweiten Leitfrage zu.
(III) Warum kopiert man?
Unter dem Sammelbegriff des Kopierens verstehe ich hier: sich ein Kunstwerk, bei welchem dies nicht explizit vorgesehen ist, verschaffen. Ich will an dieser Stelle also nicht eine allgemeine Abhandlung über die Kopie verfassen, sondern nur die Intentionen derjenigen, die sich der "Piraterie" schuldig machen, untersuchen [12]. Hier meine ich, drei zentrale Gruppen der Intention für die illegale Verschaffung ausmachen zu können. Diese werde ich auch aus Sicht von Künster und Content-Industrie beleuchten:
a) Geldgründe. Kino.to rechtfertigte sich meines Wissens nach mit dem Argument der unangemessenen Medienpreise und des Konsumwunsches derer, die sich jene nicht leisten können, was ich angesichts der Profite für die Besitzer für eine Farce vonseiten derselbigen halte. Die Motivation der Konsumenten selbst ist dagegen umfassend verständlich, und, wenn auch nicht rechtlich, so doch moralisch legitim. Diese Kategorie wird für die Industrie nichtsdestotrotz unerreichbar, weil nicht profitabel, bleiben und fortwährend die Kopie oder den kostenlosen Zugang vorziehen. Hier könnte man lediglich ein Bewusstsein für die Arbeit des Künstlers schaffen, oder es verstärken.
b) Notorisches Ignorieren des Urheberschutzes oder andere ideologische Gründe. Auch diese Kategorie, in welche ich keinesfalls solche einsortiere, die es ablehnen den ungemein reichen Firmen weiter Geld in den Rachen zu werfen, bleibt für die Industrie unzugänglich. Zu denen die es, mit welcher Rechtfertigung auch immer, grundsätzlich, ablehnen Geld für Kunst zu zahlen, später unter dem Stichwort "kategorischer Imperativ" und im Update mehr.
c) Mangelnde Attraktivität der vorliegenden Modelle. Diese Gruppe, zu welcher sich wie mir scheint sehr viele Menschen rechnen, gilt es zu gewinnen. Die Industrie ist um jeden Preis angehalten zureichende und zeitgemäße Angebote zu schaffen [13]. Wie diese nun gestaltet sein mögen, ist ein weiterer Aspekt, um den ich zu debattieren bitte.
Mir bleibt nur noch zu verlangen, dass die Künstler und ihrer Intention den ihnen gebührenden fundamentalen Platz erhalten.
Zum Schluss noch eine oben angekündigte Anmerkung zum kategorischen Imperativ: Ich fordere, dass jeder einzelne, welcher Kunst oder sonstigen Content nicht "legal" bezieht, über die Maxime seines Willens im Klaren ist und sie kritisch reflektiert. Man muss also fragen: "Weshalb kaufe ich nicht? Welche Folgen zieht dies nach sich?", um dann zu einem differenzierten Urteil zu gelangen, an dessen Ende hoffentlich eine Zuordnung zur Kategorie c) steht.
Update: Beispielhaft für die Forderung der vollständigen Abschaffung des Urheberrechts ist der Tweet jenes ominösen Accounts. So simpel und pauschal kann man die Angelegenheit nicht sehen. Ich glaube schlichtweg nicht daran, dass sich aus reiner Vernunft oder aus emotionalen Gründen genug Menschen einfinden, die allen Künstlern ausreichende finanzielle Unterfütterung ermöglichen, auch wenn diese Absicht sehr lobenswert und zu fördern ist. Und weiterhin erscheint das mit der vollständigen Abschaffung des Urheberrechts einhergehende Verbot, selbst über die Verwendung seiner Werke zu bestimmten, sehr ungerechtfertigt, es sei denn, es ist auch verunmöglicht, mit gedanklichen Leistungen unter Verfälschung der Herkunft auf irgendeine Weise Geld zu verdienen. Die so oft chinesischen Unternehmern zugeschobene Absicht, mit der Kopie oder Weiterentwicklung fremder Ideen der Allgemeinheit zu nutze sein zu wollen, halte ich dabei für völlig realitätsfern.
Fußnoten:
[1] Ich bevorzuge diesen Begriff hier, da ich ausdrücklich nicht die konkrete rechtliche, sondern nur die prinzipielle Seite beleuchten will.
[2] Es handelt sich hier, aus meiner Sicht, um einen Essay oder zumindest einen freieren Aufsatz, in welchem ich meine persönliche Meinung darzustellen suche. Ich glaube darum, dass in jeder Hinsicht gewaltige und von Geistesgrößen studierte Themenfeld trotzdem begehen zu können. Sollten sich in mir unbekannter Literatur meiner Sicht widersprechende, oder gar sie ergänzende Texte finden, so bitte ich um Mitteilung; ich werde diese mit Freude lesen und bedenken.
[3] Ich verwende im gesamten Essay das generische Maskulinum "Künstler", um den Lesefluss nicht allzu sehr zu beeinträchtigen, was ich beileibe nicht für die Ideallösung halte. Wem dies missfällt, der möge mich benachrichtigen, und ich werde eine Änderung anstreben.
[4] Zu diesem Thema gibt es ein von langer Hand vorbereitetes Essay meinerseits, welches hoffentlich in einiger Zeit veröffentlicht wird.
[5] Ich werde gerade der Tatsache gewahr, dass ich die Computerspiele hier noch gar nicht erwähnt habe. Ich zähle sie selbstverständlich zur Kunst dazu und werde ihnen, aufgrund der Aktualität des Themas, ein separates Essay widmen.
[6] Im Falle der Instrumentalmusik, welcher Sartre ganz die bedeutungsvolle Ausdrucksweise abspricht, ist die Angelegenheit zwar komplizierter; ich meine aber dennoch, dass in Komposition und emotionaler Wirkung eines Werkes außerordentlich viele Bedeutungen liegen können.
[7] Man kann darüber streiten, welche dies nun sein mögen; ich münze diesen Terminus auf das geschriebene und gesungene Wort, das gemalte oder gezeichnete Bild, die plastische Kunst und das programmierte Spiel.
[8] Martin Haase (maha) empfahl im wunderbaren CRE 190 über Rhetorik, in einer Rede stets, gegen Ende, einen prägnanten, twitterbaren Satz unterzubringen. Ich versuche dem schon hier gerecht zu werden.
[9] Welche das genau sein mögen, obliegt der Meinung des Lesenden. Zumindest aber über denen, die der Hartz IV Satz ermöglicht.
[10] Dieser Begriff entstammt dem erleuchtenden Buch "Der Schwarze Schwan" von Nassim N. Taleb und bedeutet: Ein Beruf, in dem tatsächliche Leistung und Verdienst durch Reproduzierbarkeit des Geschaffenen nicht korrelieren.
[11] Bibliotheken können verständlicherweise nicht alle Werke kaufen. Wo man die Grenze ziehen soll, bzw. wie bei nicht online zur Verfügung gestellten Werken dieses Recht zu realisieren wäre, weiß ich noch nicht.
[12] Ich beabsichtige aber, in näherer Zeit Walter Benjamins "Das Kunstwerk in der Zeit seiner technischen Reproduzierbarkeit" zu lesen. Vielleicht werde ich mich dann noch einmal näher mit der Kopie auseinandersetzen. Doctorows Argument, die Kopie sei eine seit Urzeiten alltägliche Form des Informationsflusses, halte ich für vollkommen valide. Ich verlange daher, insbesondere bei Sachbüchern und wissenschaftlichen Periodika, eine Einsichtsmöglichkeit in öffentlichen Bibliotheken sicherzustellen. Im unter [5] angeschnittenen Essay wird es auch zu Teilen um die Kopie und die Reproduzierbarkeit gehen.
[13] Ein hier rezensierter und leider nicht online verfügbarer Text von Thomas Fischermann in der ZEIT gelangt zum gleichen Ergebnis. Auch die TAZ veröffentlichte heute einen in die selbe Richtung stoßenden Artikel.
Samstag, 11. Februar 2012
"Kurzes" Intermezzo mit Gottesbeweisen
Ein Ausschnitt aus dem Wikipediaartikel zu Alvin Plantinga, zu welchem ich Stellung nehmen möchte:
Im Falle der Cornflakes ist die Angelegenheit etwas komplizierter, da wir das Postulat schwerlich ebenso einfach beweisen können, in Retrospektive böten sich nur etwaige Bild- oder Filmaufnahmen oder die höchst unangenehme Analyse des Mageninhalts an. Stattdessen gibt es eine andere Möglichkeit, die Richtigkeit der Überzeugung zu prüfen, nämlich durch Herbeiführung der vom Aussagenden genannten Konditionen, bei welchen ihn die Überzeugung ereilte, er esse Cornflakes. Augenblicklich werden alle Probanden, gesetzt den Falle die oben genannten Voraussetzungen sind gegeben, zum gleichen Ergebnis gelangen. Ein weiterer Aspekt, neben der sich wieder zeigenden "Gleichschlüssigkeit" ist erkennbar: Die Vermittelbarkeit. Schildere ich einer beliebigen Person genau meine Situation, ohne aber explizit den "proper basic belief" zu äußern, so wird sie irgendwann zwangsläufig trotzdem diesen aus der Situation entnehmen und aussprechen können. Die Wahrnehmungskette der Aussage, bzw. das, was sie induziert hat, ist also durch Kommunikation vermittelbar und kann im Gedankenexperiment repliziert werden. Zuletzt sei noch gesagt: Ist ein Konzept gleichschlüssig, so auch vermittelbar, da die Wahrnehmungskette auch gedanklich angeleitete werden kann. Das Gleiche gilt umgekehrt.
Vielleicht sieht der geneigte Leser bereits, worauf ich hinaus will. Das dargestellte Szenario der Entstehung des Satzes "Gott hat diese Welt geschaffen" ist weder gleichschlüssig, noch replizierbar, noch vermittelbar. Ich bin der Ansicht, dass selbst bei der umfassendsten Schilderung der Situtation, der Schönheit des Sternenhimmels, der Kontemplation in der Betrachtung, die auf rein empirisch-beschreibender Ebene bleibt, keinesfalls alle schlagartig folgern werden: "Du hast die Existenz des Schöpfergottes gespürt". Ebenso wenig werden sie dies alle tun, brächte man sie selbst in die angegebene Situation. Auch wenn dort, aufgrund der Ganzheitlichkeit der Eindrücke, vielleicht mehr als sonst auf die Idee der Existenz eines Schöpfergottes kämen. Ich muss hier betonen, dass ich solche Gefühlslagen durchaus nachvollziehen, d.h. mir vorstellen kann, sie zu spüren und das die Verbindung zwischen in der Natur vorhandenem Großem, Schönen und Erhabenen zum Göttlichen eine leicht zu schlagende ist. Die Frage ist nun, ob jene Vorstellung bereits ohne ein bekanntes Konzept eines Gottes entstehen kann. Wenn ja, so zeigt dies zwar die gefühlsbegründete "Anfälligkeit" des Menschen gegenüber dem Göttlichen, nicht notwendigerweise aber dessen Existenz. Wenn nicht, so können zweierlei Einwände folgen. Der eine, nämlich dass der Mensch, wenn er sich seiner eigenen Gefühle, und, im Kant'schen Sinne, seines eigenen Verstandes bedient, nicht stets zu Gott gelangt, tangiert unsere Argumentation nicht; wohingegen der andere, nämlich dass gleichsam von Baum, Gott und Cornflakes ein Konzept notwendig ist, von großer Bedeutsamkeit ist und widerlegt werden muss. Denn aus ihm könnte folgen, dass nach Kenntnis des Konzeptes, der Idee eines Göttlichen auch die zuvor besprochene Wahrnehmungskette als Resultat des gesehenen Sternenhimmels gleich verlaufen muss. Diejenigen, welche also nicht zur Überzeugung "Gott gibt es" gelangen, hätten dann lediglich keines oder ein lädiertes Bild des Göttlichen.
Der Einwand ist aus zwei Gründen falsch. Zum einen wird allein aus der großen, über die ganze Welt verstreuten Zahl der Konzepte des Göttlichen erkennbar, dass es keine "richtige" Vorstellung geben kann, oder aber dass sich alle in unterschiedlicher, anders eingefärbter Weise auf das Gleiche beziehen, mithin wie in der "Ringparabel" geschildert. Da jenes Gegenargument noch nicht ganz zureichend scheint, ist ein zweites anzubringen, was erneut von der "Vermittelbarkeit" Gebrauch macht. Denn es ist möglich einen Baum, oder eine Schüssel Cornflakes so präzise schriftlich zu beschreiben, dass jeder durch die Wahrnehmung der Beschreibung zu einem Ergebnis gelangen kann, welches von der überwältigenden Mehrheit als ebendas gemeinte Objekt identifiziert werden wird. Dies kann, so möchte man meinen, wieder nur geschehen, so die Mehrheit die Identifikationskriterien des Objektes kennt, und folglich bloß eine Übereinstimmung feststellen kann, womit das Argument kreisen würde und nicht zeigte, dass Baum und Cornflakes immer vermittelbar sind. Stellen wir uns nun aber vor, ein gänzlich Unbedarfter, Bäumen und Cornflakes unkundiger Mensch wird mit Zeichenmaterial versehen und aufgefordert, was er sieht zu zeichnen. Seine Zeichnungen leitetet er dann an beliebig viele ebenso Unkundige weiter, die sie abzeichnen sollen. Stets kämen sie zu ähnlichen Ergebnissen. Das gleiche wäre der Fall, forderte man sie auf, das gezeichnete oder Wahrgenommene zu beschreiben. Gott jedoch, so man es wagt ihn zu zeichnen oder zu beschreiben, kann wohl kaum universell als solcher erkannt werden. Das Göttliche entzieht sich der in irgendeiner Form dem Menschen zur Verfügung stehenden Darstellungsform so weit, dass Gott nicht vollständig gleich vermittelbar ist. Und damit sind wir wieder bei Kant angelangt, der zum Schluss gelangt, dass Gott nicht durch rationale Methoden zu erfassen sei. Wir können aber nur dem Teil unseres Erkenntnisvermögens wirklich sicher trauen, von dem wir in Erfahrung bringen können, dass andere stets zu den gleichen Erkenntnissen gelangen. Andernfalls ist unsere Erkenntnis persönlich und der Konzeption unseres Geistes geschuldet, was somit zur Folge hat, dass das Objekt der Erkenntnis nicht zwangsläufig existieren muss. Es ist demzufolge nicht genauso vernünftig diesem Teil unseres Erkenntnisvermögens zu trauen, wie dem anderen, an Baum und Cornflakes erkennbaren, sondern kann sogar fahrlässig sein.
Es sollte nebenbei aus meinen Ausführungen hervor gegangen sein, dass ich auch die den "proper basic beliefs" zugeschriebene Eigenschaft
Lange Rede, kurzer Sinn: Es besteht also ein Unterschied zwischen vermittelbaren, weil "gleichschlüssigen" Überzeugungen, und unvermittelbaren Überzeugungen, welche in gewisser Weise auch durch den Wittgenstein'schen Satz Nr. 7: "Wovon man nicht sprechen kann, davon muss man schweigen" angesprochen sind. Baum und Cornflakes gehören zu ersterer, Gott zu letzterer.
Mein Hauptproblem mit dieser Argumentation besteht darin, dass Überzeugungen, mithin Wissen (in meiner Kurzdefinition "bestätigte Information"), welche durch empirische Betrachtung oder Folgerung innerhalb eines formalen Systems (z.B. der Mathematik) erlangt werden, mit dem plötzlichen, auch aus der Betrachtung entstehenden Schluss "Gott gibt es" gleichgesetzt werden. Bleiben wir zunächst einmal auf rein visueller Ebene, bei den "proper basic beliefs", beim klassischen Beispiel des Baumes. Wenn ich nun postuliere, vor meinem Haus stünde ein Baum, so bedarf dieses Postulat für mich keiner weiteren Beweisführung, da ich ja über meine Sinne, vorrangig die Augen, den Baum aufgenommen habe, und vermittels der angesprochenen kognitiven Fähigkeiten das Objekt durch Übereinstimmung mit bestimmten Kriterien als "Baum" identifiziert habe, welcher vor meinem ebenso perzipierten und rezipierten Haus steht. Befinde ich mich nun aber in Gesellschaft anderer, meines Hauses unkundigen und von diesem entfernten, Personen, so kann ich weiterhin behaupten, dass vor meinem Haus ein Baum stünde, nur dass es dann für jene Personen einen Beweis braucht, ohne welchen sie die Aussage ebenso gut als Lüge abtun können. Den einfachsten, und vielleicht einzig richtigen Beweis kann ich nun führen, indem ich den Personen Haus und Baum zeige, woraufhin diese die gleiche Wahrnehmungskette durchlaufen werden, und folgend mein Postulat für korrekt befinden werden. Vorausgesetzt, geistige und physische Fähigkeiten sind bei allen in vergleichbarerer Weise ausgeprägt, werden diese stets zum gleichen Schluss bezüglich meiner Aussage gelangen, und zwar, sofern sie die Kritierien, anhand derer wir etwas als "Baum" bezeichnen kenne, unabhängig von weiteren politischen, religiösen oder philosophischen Ansichten. Eine Überzeugung, für die jenes gilt, möchte ich "gleichschlüssig" nennen. Jene Gleichschlüssigkeit ist ebenso ein Grundprinzip der Wissenschaftlichkeit. In einem bestimmten Versuch muss sich nach Herstellung der exakt gleichen Bedingungen auch die gleiche Beobachtung machen lassen.
Sein Grundgedanke ist, dass Glaube an Gott ein “proper basic belief” sein kann. „Proper basic beliefs“ sind Überzeugungen, die nicht aus anderen Überzeugungen abgeleitet werden müssen und auch nicht aus anderen Überzeugungen abgeleitet werden können. Für Überzeugungen wie „2x2=4“, „Vor meinem Haus steht ein Baum“, „Ich hatte heute morgen Corn Flakes zum Frühstück“ kann ich keine Argumente oder Beweise bringen, dennoch können diese Überzeugungen Wissen sein. Sie sind basale Überzeugungen, die von einzelnen Modulen unseres kognitiven Vermögens in einer entsprechenden Umgebung gebildet werden. Man spricht bezüglich derartiger Positionen meist von epistemischem Fundamentalismus.Auch der Glauben an Gott bildet sich nach Plantinga meist auf basale Weise. Beim Anblick etwa des Sternenhimmels kann sich spontan die Überzeugung bilden „Gott hat diese Welt geschaffen“.Nach Plantinga ist es genauso vernünftig, diesem Teil unseres Erkenntnisvermögens zu vertrauen, wie etwa unserer Erinnerung oder unserem logischen Denken – vorausgesetzt es gibt keine zwingenden Argumente dafür, dass eine bestimmte Überzeugung falsch ist.Da es solche zwingenden Argumente (defeater) für Plantinga in Bezug auf den Glauben an Gott und überhaupt in Bezug auf den christlichen Glauben nicht gibt, hält er diese Glaubensüberzeugungen für rational gerechtfertigt.
Im Falle der Cornflakes ist die Angelegenheit etwas komplizierter, da wir das Postulat schwerlich ebenso einfach beweisen können, in Retrospektive böten sich nur etwaige Bild- oder Filmaufnahmen oder die höchst unangenehme Analyse des Mageninhalts an. Stattdessen gibt es eine andere Möglichkeit, die Richtigkeit der Überzeugung zu prüfen, nämlich durch Herbeiführung der vom Aussagenden genannten Konditionen, bei welchen ihn die Überzeugung ereilte, er esse Cornflakes. Augenblicklich werden alle Probanden, gesetzt den Falle die oben genannten Voraussetzungen sind gegeben, zum gleichen Ergebnis gelangen. Ein weiterer Aspekt, neben der sich wieder zeigenden "Gleichschlüssigkeit" ist erkennbar: Die Vermittelbarkeit. Schildere ich einer beliebigen Person genau meine Situation, ohne aber explizit den "proper basic belief" zu äußern, so wird sie irgendwann zwangsläufig trotzdem diesen aus der Situation entnehmen und aussprechen können. Die Wahrnehmungskette der Aussage, bzw. das, was sie induziert hat, ist also durch Kommunikation vermittelbar und kann im Gedankenexperiment repliziert werden. Zuletzt sei noch gesagt: Ist ein Konzept gleichschlüssig, so auch vermittelbar, da die Wahrnehmungskette auch gedanklich angeleitete werden kann. Das Gleiche gilt umgekehrt.
Vielleicht sieht der geneigte Leser bereits, worauf ich hinaus will. Das dargestellte Szenario der Entstehung des Satzes "Gott hat diese Welt geschaffen" ist weder gleichschlüssig, noch replizierbar, noch vermittelbar. Ich bin der Ansicht, dass selbst bei der umfassendsten Schilderung der Situtation, der Schönheit des Sternenhimmels, der Kontemplation in der Betrachtung, die auf rein empirisch-beschreibender Ebene bleibt, keinesfalls alle schlagartig folgern werden: "Du hast die Existenz des Schöpfergottes gespürt". Ebenso wenig werden sie dies alle tun, brächte man sie selbst in die angegebene Situation. Auch wenn dort, aufgrund der Ganzheitlichkeit der Eindrücke, vielleicht mehr als sonst auf die Idee der Existenz eines Schöpfergottes kämen. Ich muss hier betonen, dass ich solche Gefühlslagen durchaus nachvollziehen, d.h. mir vorstellen kann, sie zu spüren und das die Verbindung zwischen in der Natur vorhandenem Großem, Schönen und Erhabenen zum Göttlichen eine leicht zu schlagende ist. Die Frage ist nun, ob jene Vorstellung bereits ohne ein bekanntes Konzept eines Gottes entstehen kann. Wenn ja, so zeigt dies zwar die gefühlsbegründete "Anfälligkeit" des Menschen gegenüber dem Göttlichen, nicht notwendigerweise aber dessen Existenz. Wenn nicht, so können zweierlei Einwände folgen. Der eine, nämlich dass der Mensch, wenn er sich seiner eigenen Gefühle, und, im Kant'schen Sinne, seines eigenen Verstandes bedient, nicht stets zu Gott gelangt, tangiert unsere Argumentation nicht; wohingegen der andere, nämlich dass gleichsam von Baum, Gott und Cornflakes ein Konzept notwendig ist, von großer Bedeutsamkeit ist und widerlegt werden muss. Denn aus ihm könnte folgen, dass nach Kenntnis des Konzeptes, der Idee eines Göttlichen auch die zuvor besprochene Wahrnehmungskette als Resultat des gesehenen Sternenhimmels gleich verlaufen muss. Diejenigen, welche also nicht zur Überzeugung "Gott gibt es" gelangen, hätten dann lediglich keines oder ein lädiertes Bild des Göttlichen.
Der Einwand ist aus zwei Gründen falsch. Zum einen wird allein aus der großen, über die ganze Welt verstreuten Zahl der Konzepte des Göttlichen erkennbar, dass es keine "richtige" Vorstellung geben kann, oder aber dass sich alle in unterschiedlicher, anders eingefärbter Weise auf das Gleiche beziehen, mithin wie in der "Ringparabel" geschildert. Da jenes Gegenargument noch nicht ganz zureichend scheint, ist ein zweites anzubringen, was erneut von der "Vermittelbarkeit" Gebrauch macht. Denn es ist möglich einen Baum, oder eine Schüssel Cornflakes so präzise schriftlich zu beschreiben, dass jeder durch die Wahrnehmung der Beschreibung zu einem Ergebnis gelangen kann, welches von der überwältigenden Mehrheit als ebendas gemeinte Objekt identifiziert werden wird. Dies kann, so möchte man meinen, wieder nur geschehen, so die Mehrheit die Identifikationskriterien des Objektes kennt, und folglich bloß eine Übereinstimmung feststellen kann, womit das Argument kreisen würde und nicht zeigte, dass Baum und Cornflakes immer vermittelbar sind. Stellen wir uns nun aber vor, ein gänzlich Unbedarfter, Bäumen und Cornflakes unkundiger Mensch wird mit Zeichenmaterial versehen und aufgefordert, was er sieht zu zeichnen. Seine Zeichnungen leitetet er dann an beliebig viele ebenso Unkundige weiter, die sie abzeichnen sollen. Stets kämen sie zu ähnlichen Ergebnissen. Das gleiche wäre der Fall, forderte man sie auf, das gezeichnete oder Wahrgenommene zu beschreiben. Gott jedoch, so man es wagt ihn zu zeichnen oder zu beschreiben, kann wohl kaum universell als solcher erkannt werden. Das Göttliche entzieht sich der in irgendeiner Form dem Menschen zur Verfügung stehenden Darstellungsform so weit, dass Gott nicht vollständig gleich vermittelbar ist. Und damit sind wir wieder bei Kant angelangt, der zum Schluss gelangt, dass Gott nicht durch rationale Methoden zu erfassen sei. Wir können aber nur dem Teil unseres Erkenntnisvermögens wirklich sicher trauen, von dem wir in Erfahrung bringen können, dass andere stets zu den gleichen Erkenntnissen gelangen. Andernfalls ist unsere Erkenntnis persönlich und der Konzeption unseres Geistes geschuldet, was somit zur Folge hat, dass das Objekt der Erkenntnis nicht zwangsläufig existieren muss. Es ist demzufolge nicht genauso vernünftig diesem Teil unseres Erkenntnisvermögens zu trauen, wie dem anderen, an Baum und Cornflakes erkennbaren, sondern kann sogar fahrlässig sein.
Es sollte nebenbei aus meinen Ausführungen hervor gegangen sein, dass ich auch die den "proper basic beliefs" zugeschriebene Eigenschaft
Überzeugungen, die nicht aus anderen Überzeugungen abgeleitet werden müssen und auch nicht aus anderen Überzeugungen abgeleitet werden könnenfür ungenau halte, denn wie man oben erkennen kann, benötige ich stets zunächst die Überzeugung, dass ein rational fassbares Objekt mit bestimmten Kriterien durch ein Wort beschrieben wird. Ich muss die Kriterien und das Wort kennen. Andernfalls könnte ich nur eine Umschreibung liefern. Falls dies in den originalen Textes des Philosophen ebenso differenziert aufgefasst wird, so ist hier nur die Ungenauigkeit des Wikipediaartikels verantwortlich.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es besteht also ein Unterschied zwischen vermittelbaren, weil "gleichschlüssigen" Überzeugungen, und unvermittelbaren Überzeugungen, welche in gewisser Weise auch durch den Wittgenstein'schen Satz Nr. 7: "Wovon man nicht sprechen kann, davon muss man schweigen" angesprochen sind. Baum und Cornflakes gehören zu ersterer, Gott zu letzterer.
Dienstag, 10. Januar 2012
Schatten in der Zunkunft
Wer sich derlei Dokumentationen über den grausamen Coltanabbau im Kongo ansieht oder bloß die Wikipediaartikel zur Thematik "Ölreserven" und "Peak-Oil" liest, wer daraufhin ein wenig ins Nachdenken gerät, der mag zur Meinung gelangen, dass all unsere Zivilisation und gerade unsere aus dem Leben der ersten Welt kaum noch wegzudenkenden Computer letzendlich auf finiten Ressourcen basieren. Wenn also eine Einsicht in die Endlichkeit und den möglichen Verzicht gewährt wird, dann kann dies, und so ist es bei mir der Fall, zu zweierlei Stimmungen führen. Einerseits, eine geradezu erschreckend zukunftsunsichere, sich an die persönliche Gegenwart klammernde tendenziell depressive Verstimmung, andererseits eine maßlose Wut über die von Gier und momentfokussiertem Denken bestimmten Entscheidungen der Wirtschaft und Politik. Das von Axel Honneth beschworene "Band des Fortschritts" in der Geschichte könnte abrupt und mit gewaltiger Brutalität abreißen, wenn wir feststellen, dass jahrelang keine Vorsorgen für den Moment, in dem die industrielle Zivilisation ihren Scheitelpunkt findet, getroffen wurden. Letztendlich ist klar, wie unhaltbar besonders in technischer Hinsicht unsere Lebenswelt langfristig sein muss, letztendlich ist klar, dass wir irgendwann den Bürgern der dritten Welt erläutern werden müssen, weshalb sie nicht mehr in den Genuss bestimmter Konsumgüter kommen können, ohne den Planeten für die Menschheit vollkommen zu zerstören.
Wie aber wollen wir mit einer Zukunft, in der ein Sturm sondergleichen heraufziehen könnte, umgehen? Mit einem gnadenlosen Optimismus, darauf beharrend das entweder unerkannte Vorräte nutzbar gemacht werden können, die einen Scheitelpunkt der Zivilisation in ferne Zeiten verschieben, oder mit einer treibenden Furcht, die uns zum Protest und zu Vorbereitungen auf ein nachindustrielles Leben führt? Mit einer zweigespaltenen Lebensweise, die sich zumindest ihrer Existenz auf Kosten der Zukunft der eigenen Kinder, ihrer Existenz die schon in 30 Jahren radikalem Wandel unterworfen sein kann, bewusst ist? Man antworte mir.
Nach wie vor bin ich, derzeit drittere Variante lebend, der bereits hier zum Ausdruck gebrachten Ansicht, dass sich im Falle eines Falles unser technischer Fortschritt auf die Medizin, Bildung und überhaupt auf die unmittelbare Sicherstellung von Menschenrechten beschränken sollte, was mit ein Ende des grenzenlosen, kapitalbasierten Konsums mit sich brächte. Wie steht der Leser dazu?
Wie aber wollen wir mit einer Zukunft, in der ein Sturm sondergleichen heraufziehen könnte, umgehen? Mit einem gnadenlosen Optimismus, darauf beharrend das entweder unerkannte Vorräte nutzbar gemacht werden können, die einen Scheitelpunkt der Zivilisation in ferne Zeiten verschieben, oder mit einer treibenden Furcht, die uns zum Protest und zu Vorbereitungen auf ein nachindustrielles Leben führt? Mit einer zweigespaltenen Lebensweise, die sich zumindest ihrer Existenz auf Kosten der Zukunft der eigenen Kinder, ihrer Existenz die schon in 30 Jahren radikalem Wandel unterworfen sein kann, bewusst ist? Man antworte mir.
Nach wie vor bin ich, derzeit drittere Variante lebend, der bereits hier zum Ausdruck gebrachten Ansicht, dass sich im Falle eines Falles unser technischer Fortschritt auf die Medizin, Bildung und überhaupt auf die unmittelbare Sicherstellung von Menschenrechten beschränken sollte, was mit ein Ende des grenzenlosen, kapitalbasierten Konsums mit sich brächte. Wie steht der Leser dazu?
Montag, 12. Dezember 2011
Durban - ein Lehrstück der Irrationalität
Gesetzt den Fall, der Klimawandel existiert. Gesetzt den Fall, schwere Unwetter und Überflutungen nehmen weltweit zu. Gesetzt den Fall, Störungen in den Nahrungsketten erschweren die Welternährung und machen den Hunger zu einem stetig zunehmenden Problem. Gesetzt den Fall, Öl ist endlich.
Man möge mir dann das Verhalten der USA sowie von China Brasilien und Indien erklären. Weshalb werden entschiedene Schritte zur Milderung des Klimawandels nahezu kategorisch abgelehnt, wenn doch allein aufgrund der umfassend verzahnten globalisierten Welt auch jene Staaten betroffen wären? Es sind ja nicht allein die leidenden Armen in Entwicklungsländern, allen voran wahrscheinlich die Sahelzohne und Bangladesch, diese wären innerhalb eines alle Mittel in Kauf nehmenden, in seiner Zielorientierung moralfreiem kapitalistischen Systems ja zu verschmerzen, nein, es sind die Folgen auf die eigene Industrie, die für mich das Handeln vor allem Amerikas so unverständlich machen. Eine Überschwemmung in Thailand, und die Festplattenpreise steigen radikal. Eine größere Erhöhung des Ölpreises, und die Wirtschaft Amerikas steht Kopf. Es ist scheinheilig und offenbart ein außerordentlich kurzfristiges, an der "Beschaffung von Legitimation durch Wahlen", wie Habermas sagen würde, ausgerichtetes Verhalten. Weshalb sollte man einen verpflichtenden Vertrag hinauszögern, wenn doch klar ist, dass dies seine Erfüllung nur erschweren kann? Weshalb sollte man nicht handeln, wenn man den Handlungszwang geradezu voraussetzen kann?
Man möge das Erläutern!
Anders aber, wenn der Klimawandel gar nicht besteht, anders aber, wenn es sich bei den Wissenschaftlern, die ihn in Frage stellen, um eine den Widerstandskämpfern im Dritten Reiche gleichende, heroisch gegen die blinde Mehrheit stehende Gruppe handelt. Ein solches Versagen der Wissenschaft möchte man nicht annehmen. Und selbst wenn, sind nicht endliche Ressourcen und schwindende Biodiversität Grund genug, unser Verhalten neu zu denken? Den Wandel zu beginnen? Ich weiß nicht, auf welch theoretischer Grundlage unser neues Verhältnis zur Natur stehen kann, eines aber ist gewiss, "Macht euch die Erde untertan" heißt nicht, "Richtet sie zugrunde".
Freitag, 2. Dezember 2011
Zur Klimakonferenz in Durban
Die Medien begegnen der aktuell laufenden Konferenz entweder mit einer gewissen Hoffnungslosigkeit, oder aber mit dem Optimismus, es werde sich durch Technik und internationalen Druck "zum Guten" wenden. Ich frage mich aber, ob sich dem Klimawandel umfassend durch Technik begegnen lässt, ob wir uneingeschränkt mit CO2-Einsparungen und neuen Erfindungen (Stichwort: Geo-Engineering) eine Erhaltung unseres Lebensstils erreichen können. Dazu kommen noch die aufstrebenden Mittelschichten der Entwicklungsländer, die es nach ähnlichem Luxus, wie dem den z.B. Europäer genießen, verlangt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir gleichzeitig dieses Streben, alle Begleitprobleme des Klimawandels und den Schwund fossiler Ressourcen unter einen Hut bekommen. Wenn wir in größeren zeitlichen Abschnitten denken, sagen wir 500 Jahre, so werden wir eine Verringerung unseres Lebensstils zwangsläufig hinnehmen müssen. Auch all die schöne Technik, die den Klimawandel bekämpfen könnte, wird aus endlichen Ressourcen hergestellt, auch ein radikal verringerter Ausstoß klimaerwärmender Gase ist ein Ausstoß. Wir müssen also auch darüber nachzudenken, wie wir auf lange Zeit gesehen leben wollen und werden, nebst der Frage, wie wir auf kurze Sicht die desaströse Klimaerwärmung und Umweltzerstörung eindämmen können.
Wie aber könnte dieser "verringerte Lebensstil"aussehen? Vieles, was wir heute als selbstverständlich hinnehmen, wird Luxus werden. Fernreisen, aus aller Welt jederzeit verfügbare Produkte, erschwinglicher Hightech, nur durch finanzielle Mittel eingeschränkter Konsum, mithin ein Großteil der Errungenschaften der industriellen Revolution und der Globalisierung. Wenn diese "Luxurisierung" aber über Preissteigerungen geschieht, so wird das Ausmaß der sozialen Ungerechtigkeit ins Unermessliche steigen. Wie dem zu begegnen ist, bin ich mir (noch) nicht sicher.
Es scheint aber sinnvoll, die allgemeinen technischen Errungenschaften in der beschriebenen Zukunft vorrangig in den zentralen Bereichen Medizin und Bildung anzuwenden. Damit vermeiden wir zum einen Krankheiten und ein gutes Stück Leid, zum anderen bewahren wir eine differenzierte und offene Weltsicht.
Was meinen Sie dazu? Wie könnte die Menschheit in ferner Zukunft leben? Müssen wir uns darum überhaupt kümmern?
Dienstag, 29. November 2011
Vom Glücke und den schönen Dingen
Glück ist eine Empfindung, die sich aus der individuellen Perzeption unseres unmittelbaren Erlebens und dessen folgender Verarbeitung herleitet. Weil aber diese Perzeption so radikal unterschiedlich und so sehr vom Wesens des Wahrnehmenden abhängig ist, gibt es kein "generelles Glück", so wie es auch keine "generelle Schönheit" gibt . Der Vergleich mit der Schönheit zeigt aber dennoch, dass natürlich "Kriterien" existieren, anhand derer wir solcherlei Empfindungen definieren; andernfalls wäre es uns vollkommen unmöglich, darüber überhaupt zu sprechen. Zu denen gehört die Form und Art einer Sache oder eines Ereignisses. Da unter Form auch die "Menge" zu verstehen ist, kann der Reichtum einer Person zu diesen Kriterien gehören. Wer aber niemals reich war, dem fehlt die eigene Perzeption dessen aber vollkommen; dennoch kann er glücklich sein, weil sein selbst aus anderen Kriterien heraus Glück empfindet. Ob Reichtum auch dazugehört, zeigt vielleicht gute Selbstreflexion, mit Sicherheit aber verunmöglicht es der obige Grundsatz ihn generell aus den Kriterien zu verbannen.
Natürlich besteht auch ein Zusammenhang unseres Glückempfindens mit evolutionären Gegebenheiten, grundsätzlich nämlich darin, dass ohne die momentane Konzeption unseres Verstandes, welche sich ja durch die Evolution herausbildete, (wahrscheinlich) kein Glück möglich wäre. Leicht könnte man nun sagen, das Arterhalt eines der angeblich unmöglichen Glückskriterien sein muss. Die Komplexität unseres Verstandes ermöglicht aber auch bewusstes Fernbleiben vom Arterhalt ohne Glücksminderung, wie jeder, der Menschen ohne Kinder kennt, wissen dürfte.
Ein Kriterium was immer gilt findet sich aber trotz alldem: Der Selbsterhalt. Alles was lebt, will naturgegeben nicht sterben. Aus diesem Egoismus heraus entsteht der Trieb zur Verbesserung der eigenen Lebensumstände. Da wir (möglicherweise) kein weiteres Glück empfinden können, wenn wir tot sind, bedingt Glück unser Überleben; es ist als "allgemeines Kriterium". Was aber tat dann ein Selbstmörder? Zweierlei könnte ihn vom Glück abgebracht haben, sofern er es nicht im Tod suchte: hirnstoffwechselbedingtes Fehlen von Glücksempfindungen (Depression) oder eine ihm völlig ausweglos scheinende Lebenssituation; eine in der er keinen Weg zum Glück mehr sieht. Die Phänomenologie eines Selbstmörders ist aber vermutlich so komplex, dass er bei der Betrachtung des Lebensglück von einem allgemeinen Standpunkt aus außer Acht gelassen werden kann.
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